Welche Verluste beobachten wir?
Beginnen wir positiv: Mit Kranich und Wolf sind charismatische und faszinierende Tiere nach Deutschland zurückgekehrt. Zwar verursacht der Wolf sehr ernst zu nehmende Konflikte, aber seine positive Wirkung auf die Naturverjüngung der Wälder ist gut belegt. Der Seeadler hat sich von seinen dramatischen Verlusten erholt und brütet in Deutschland wieder mit knapp 1000 Brutpaaren. Auch Wildkatze und Luchs können dank gezielter Artenschutzmaßnahmen wieder in manchen Mittelgebirgsregionen nachgewiesen werden. Diese positiven Beispiele sind jedoch leider Ausnahmen.
Für eine große Zahl der Tier- und Pflanzenarten in Deutschland ist die Situation besorgniserregend. Hier zeigen wir dies exemplarisch für fünf Arten:
Vögel sind auffällige Tiere und begeistern viele Menschen. Auch durch die vielen Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler liegen zu Vögeln die umfassendsten Daten zur Bestandssituation in Deutschland vor; Vögel werden seit vielen Jahren repräsentativ und mit einheitlicher Methodik gezählt.
In Deutschland haben in 36 Jahren die Bestände der Vögel, die auf Äckern, Wiesen und Weiden leben, um ca. 40 % abgenommen.
Besonders dramatische Rückgänge gibt es bei Kiebitz (- 93 Prozent), Rebhuhn (- 91 Prozent) und Feldlerche (- 50 Prozent). Dies bedeutet konkret, dass in der deutschen Agrarlandschaft rund vier Millionen Brutvögel verschwunden sind. Hochrechnungen zeigen, dass Deutschland zwischen 1992 und 2016 insgesamt rund 14 Millionen Brutvögel verloren hat.
Wie ist der Zustand der Natur in Deutschland? Diese Frage wurde im „Faktencheck Artenvielfalt“ von über 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nach jahrelanger Analyse beantwortet. Über die Hälfte der Lebensraumtypen Deutschlands sind in einem ungünstigen Zustand. Besonders besorgniserregend ist die Situation der Lebensraumtypen im Grünland, auf ehemals artenreichen Äckern, in Mooren, Sümpfen und Quellen. Die Bestände vieler Tier- und Pflanzenarten sind rückläufig. Ein Drittel der untersuchten Arten ist in ihren Beständen gefährdet. Stark gefährdet sind viele Reptilien- und Amphibienarten sowie zahlreiche Insektenarten.
Weltweit haben sich die Bestände von Vögeln, Säugetieren, Reptilien und Amphibien in den letzten 50 Jahren um mehr als 60 Prozent reduziert (WWF Living Planet Index). Von den geschätzt acht Millionen Arten (IPBES Global Assessment 2019) sind in den nächsten Jahrzehnten etwa eine Million vom Aussterben bedroht, wenn wir nicht gegensteuern. Am höchsten ist die Gefährdung bei Palmfarnen (70 Prozent), Amphibien (41 Prozent) sowie Haien und Rochen (37 Prozent). Zugleich sind von den geschätzt acht Millionen Arten erst zwei Millionen beschrieben und somit bekannt.